Schwierige Konkretisierung des Mobbingbegriffes
BGHP-Rechtsanwalt Thomas Berger erläutert am 27. Januar 2020 als geladener Sachverständiger im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales, warum ein Gesetz gegen Mobbing notwendig ist und zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung flankierende Änderungen im Betriebsverfassungsrecht und Ergänzungen im Arbeitsschutzgesetz erforderlich sind. Die Einzelheiten können Sie seiner schriftlichen Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (19/6128) und der Fraktion DIE LINKE (19/16480) entnehmen. Sie finden Sie neben weiteren Stellungnahmen anderer Einzelsachverständiger und Stellungnahmen der Verbänden hier.
Die vollständige mündliche Anhörung können Sie sich auf der Seite des Bundestags als Video ansehen.
Schwierige Konkretisierung des Mobbingbegriffs
Beschäftigte sollten besser vor Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte geschützt werden. Diese Ansicht vertrat eine knappe Mehrheit der geladenen Sachverständigen am Montag, 27. Januar 2020 in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Leitung von Matthias W. Birkwald (Die Linke). Gegenstand der Anhörung waren zwei Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen.
Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/16480) unter anderem, das Arbeitsschutzgesetz entsprechend zu ergänzen und Mobbing als eigenen Rechtsbegriff zu definieren. Die Grünen verlangen in ihrem Antrag (19/6128) von der Bundesregierung, ein Gesetz zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz zu erarbeiten und darin Mobbing als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu definieren.
„Es gibt keine Lücke“
Gegen diese Initiativen argumentierte unter anderem der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Gregor Thüsing,indem er darauf verwies, dass jede Konkretisierung des Mobbingbegriffs zugleich eine Begrenzung bedeuten würde. Das sei aber angesichts der Bandbreite der Fälle, um die es jeweils gehe, schwierig, so Thüsing.
Dieser Auffassung schlossen sich auch Roland Wolf für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Alexander Bissels an. „Es gibt keine Lücke, denn es wird etwas gefordert, was es derzeit im Arbeitsrecht schon gibt“, sagte Bissels.
„Gesetz zum Schutz vor Mobbing ist richtig“
Für gesetzliche Konkretisierungen sprach sich dagegen der Deutsche Gewerkschaftsbund aus. Deren Vertreterin Micha Klapp sagte: „Ein Gesetz zum Schutz vor Mobbing ist grundsätzlich richtig. Der Erfolg hängt jedoch von der konkreten Ausgestaltung ab.“ Denn derzeit sei die Ausübung der Rechte, die es zweifellos gebe, ein großes Problem. Das müsste sich mit einem neuen Gesetz ändern, betonte Klapp.
Thomas Berger, ebenfalls Arbeitsrechtler, führte aus, dass das Arbeitsschutzgesetz eigentlich genüge und eine gute Grundlage zum Schutz vor Mobbing biete. Das Problem sei jedoch, dass es Firmen gebe, die sich systematisch nicht daran halten wollten. „Deshalb braucht es eine Konkretisierung“, sagte Berger.
„Problem der schwierigen Beweislage“
Dr. Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie, begrüßte in seiner Stellungnahme zwar die Etablierung eines Mobbingbegriffs in der Rechtsprechung. Dies sei jedoch nicht unproblematisch, da das Problem der meisten Gerichtsverfahren die schwierige Beweislage sei. Das würde sich durch einen solchen Begriff nicht grundlegend ändern, so Zapf. Er empfahl, Mobbing als eigenen Abschnitt in das Arbeitsschutzgesetz mit aufzunehmen.
Dr. Peter Wickler, ehemaliger Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Thüringen, kritisierte, die von der Justiz derzeit angewendeten Mobbingschutzkonzeptionen glichen einem Flickenteppich und hätten zu einer Zersplitterung der Rechtsschutzlage geführt. Allein deshalb müsse der Gesetzgeber eine allgemeingültige Kodifizierung des Mobbingschutzes anstreben, betonte er.
Antrag der Linken
Ein Antrag der Linken (19/16480) zielt darauf ab, Betroffene besser vor Mobbing im Arbeitsleben zu schützen. Federführend wird die Vorlage im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales weiterberaten. Die Bundesregierung wird darin unter anderem aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das Arbeitsschutzgesetz im Hinblick auf Prävention zur Vermeidung von Mobbing und Bossing zu ergänzen. Dabei solle der Begriff der Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation WHO ausdrücklich übernommen werde, wonach Gesundheit ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen, und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen ist.
Schutzmaßnahmen der Arbeitgeber müssten sich auf alle Aspekte beziehen, die die Arbeit betreffen, insbesondere den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der Beschäftigten. Aufgenommen werden solle auch, dass die Arbeit an den individuellen Menschen angepasst werden muss und dass psychosozialer Stress zu verringern und zu vermeiden ist. Aufgehoben werden müsse die Privilegierung von Arbeitgebern im Hinblick auf die Begrenzung des Bußgeldrahmens. Mobbing müsse als Rechtsbegriff definiert werden. Betroffenen müssten einen Rechtsanspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld erhalten.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, ein Gesetz zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz zu erarbeiten. Darin solle Mobbing als Rechtsbegriff als eine Form der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts definiert werden. Außerdem sollen die Schutzrechte von Betroffenen im Arbeitszeitgesetz konkretisiert werden.
So solle dort die Verantwortung der Arbeitgeber, die Beschäftigten vor Mobbing zu schützen, ausdrücklich aufgenommen werden. Die Grünen fordern außerdem, dass die Arbeits- und Verwaltungsgerichte mit einem solchen Gesetz eine Rechtsgrundlage analog zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz erhalten. (che/27.01.2020)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- N.N.
- N.N.
- Prof. Dr. Gregor Thüsing, Bonn
- Prof. Dr. Dieter Zapf, Frankfurt
- Dr. Alexander Bissels, Köln
- Dr. Peter Wickler, Erfurt
- Thomas Berger, Berlin